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Mietrecht für Familien: Was dürfen Kinder?

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Hausordnung

Kinder sollen Kind sein dürfen. In der Theorie würde dies mit Sicherheit der Großteil aller Menschen genauso auch vertreten.
Wohnt man jedoch in einem Mehrparteienhaus und geht es um die Kinder der Nachbarn, die die alltägliche Mittagsruhe stören, sieht es dann plötzlich ganz anders aus. Diese sollen doch bitte in aller Stille spielen, nicht herumrennen und erst Recht nicht mit dem Bobby-Car durch die Wohnung fahren. Aber darf ich mich rechtlich betrachtet überhaupt beschweren?
Die nachfolgenden Ausführungen sollen einen Überblick über die praxisrelevantesten Streitpunkte verschaffen, bei welchen auf Seiten der Rechtsprechung entschieden wurde, was in Bezug auf Kinder bzw. Kinderlärm rechtmäßig ist und was wiederum zu weit geht und nicht geduldet werden muss. Sollte eine Mietminderung in Betracht gezogen werden, sollte ein Anwalt für Mietrecht kann hier beraten und weiterhelfen. In der Mietminderungstabelle finden sich Urteile zu Mietminderungen und über die Höhe der Mietminderung.

Lachen, Weinen und Schreien in Mietwohnungen

Geräusche wie Lachen, Weinen und Schreien von Kleinkindern müssen von Hausbewohnern hingenommen werden, da es als übliches und natürliches Verhalten eines Kindes anzusehen ist (AG Starnberg, Urt. v. 03.06.1992 – 1 C 1021/9).

Hierzu gehören auch Babygeschrei, unbeabsichtigte Störungen aller Art, aber auch absichtliche kleinere Störungen wie Gepolter, Gestampfe, Gespringe und Gehopse (LG Bad Kreuznach Urt. v. 03.07.2001 – 1 S 21/01).

Die „Üblichkeit“ des Lärms bestimmt sich dabei nicht nach den Ruhe- und Ordnungsvorstellungen Dritter, sondern nach den Wohn- und Lebensbedingungen sowie den Bedürfnissen der Kinder und ihrer pflegenden und erziehenden Eltern (AG Kassel, Urt. v. 23.04.1991 – 872 C 855/91).

Bei der Beurteilung einer Geräuschkulisse kommt es aber nicht auf die Empfindlichkeit des jeweiligen Betroffenen an, sondern darauf, wie ein normal empfindlicher Mensch ein Geräusch auf sich einwirken lässt (AG Kiel, Urt. v. 18.05.1989 – 13 C 35/89).

Weiterhin gilt für Kinderlärm eine erweiterte Toleranzgrenze. DIN-Normen und Messergebnisse sind nur bedingt als Beurteilungsgrundlage heranzuziehen.
Auch wenn der durch Kinder verursachte Lärm als besonders störend empfunden wird, ist er als Lebensäußerung unvermeidbar und der Wohngemeinschaft regelmäßig zumutbar.
Diese geforderte erhöhte Toleranz gegenüber Kinderlärm findet dort ihre Grenze, wo der Lärm nicht mehr sozialadäquat ist, wo den Eltern eine schuldhafte Aufsichtspflichtverletzung vorzuwerfen ist (LG Bad Kreuznach Urt. v. 03.07.2001 – 1 S 21/01).

Nachtruhe

Nach 22.00 Uhr ist generell eine Nachtruhe einzuhalten und Nachbarn dürfen durch Geräusche nicht mehr belästigt werden.
Allerdings muss auch nachts das Lachen, Weinen und Schreien von Kleinkindern von Hausbewohnern, als natürliches Verhalten der Kinder, geduldet werden (OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.01.1997 – 9 U 218/96).

Spielen im Außenbereich Spielen auf Garagenhöfen

Wenn sich wegen seiner Größe und fehlender anderer Möglichkeiten der Garagenhof für Ball- und andere Kinderspiele geradezu anbietet, ist der damit verbundene Lärm den Nachbarn zumutbar (LG München, Az.: 1 T 14 129/88)

Spielen auf Hinterhöfen

Die gefährliche Entwicklung des Straßenverkehrs zwingt Hausbesitzer dazu, verwaiste Hinterhöfe für Kinderspiele freizugeben. Die Nachbarschaft muss die damit verbundene Lärmbelästigung hinnehmen (LG Berlin, Urt. v. 16.01.1986 – 61 S 288/85).
Dem Vermieter steht kein Recht zu, zum Schutze der anderen Mieter, ein allgemeines Spielverbot auf dem Hof des Hauses auszusprechen (AG Charlottenburg, Urt. v. 22.12.1992 – 14 C 473/92).

Fußballspielen

Kindern kann nicht verboten werden, dem Ball hinterherzurennen, auch dann nicht, wenn der Ball auf dem Nachbargrundstück landet (LG München II, Urt. v. 24.11.2003 – 5 O 5454/03).

Spielplätze

Der von Kindern auf einem Kinderspielplatz ausgehende Lärm muss hingenommen werden (OVG NRW, Urt. v. 08.07.1986 – 11 A 1288/85). Allerdings sind die Benutzerzeiten oder wenigstens die allgemeinen Ruhezeiten einzuhalten, wenn Wohnungen in der Nähe sind.
Kinder bis zu 12 Jahren dürfen einen, in einem reinen Wohngebiet liegenden, Spielplatz auch in der Mittagszeit nutzen (VG Braunschweig, Urt. v. 24.06.1991 – 9 A 9014/91).

Sandkasten und Spielflächen

Zur vertragsgemäßen Nutzung einer Wohnung gehört auch, dass Kinder spielen dürfen. Deshalb darf ein Kind auch einen eigenen Sandkasten haben. Mitmieter dürfen dem Vermieter nicht verbieten, Sandkästen aufzustellen.
Gem. §9 Abs.2 der Landesbauordnung NRW (BauO NRW) gilt, dass ein Gebäude mit Wohnungen nur errichtet werden darf, wenn eine ausreichende Spielfläche für Kleinkinder auf dem Grundstück bereitgestellt wird. Die Bereitstellung auf dem Grundstück ist nicht erforderlich, wenn in unmittelbarer Nähe

  1. eine solche Spielfläche auf einem anderen Grundstück geschaffen wird oder vorhanden ist und sie sowie ihre Unterhaltung öffentlich-rechtlich gesichert ist,
  2. eine Gemeinschaftsanlage nach § 11 oder
  3. ein geeigneter öffentlicher Spielplatz geschaffen wird oder vorhanden ist.
    Daher können Mitbewohner eines Hauses dem Vermieter nicht die Errichtung einer Spielfläche bzw. eines Sandkastens verbieten (AG Aachen, Urt. v. 21.11.1986 – 14 C 318/86).

Besuch von anderen Kindern

Das Amtsgericht Solingen entschied, dass wenn der Vermieter die Mitbenutzung des Gartens und Hofes durch die Mieter dulde, er diese Nutzung später nicht mehr untersagen könne.
Das Mitbenutzungsrecht stehe dabei nicht nur den Kindern der Mieter, sondern auch deren Freunden zu.
Selbst wenn die Mitbenutzung des Gartens und des Hofs im Mietvertrag nicht mitgeregelt worden ist, kann der Mietvertrag durch die ständige Duldung der Nutzung durch den Vermieter stillschweigend erweitert werden. Das sich daraus ergebene Mitbenutzungsrecht umfasst auch das Einladen fremder Kinder zum Spielen (Amtsgericht Solingen, Urt. v. 13.09.1978 – 11 C 235/78).

Auch Geräusche, die von privaten Kinderspielplätzen ausgehen, müssen von den Bewohnern im reinen Wohngebiet grundsätzlich auch dann hingenommen werden, wenn solche Spielplätze von Kindern benutzt werden, die nicht auf den betreffenden Grundstücken wohnen. Es liegt kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vor (OVG Bremen, Urt. v. 01.12.1987 – 1 BA 49/87).

Musizieren

Wie lange man in einer Wohnung musizieren darf, wird richterrechtlich unterschiedlich beurteilt. Dies hängt vom Einzelfall, den wohnungsbedingten Umständen und der Art des Instrumentes ab. Eine Wohnungseigentümergemeinschaft kann jedenfalls ein völliges Musizierverbot nicht mehrheitlich beschließen. Bereits das vollständige Verbot des Klavierspielens an Sonn- und Feiertagen wurde vom OLG Hamm als rechtlich bedenklich angesehen (OLG Hamm, Urt. v.
10.11.1980 – 15 W 122/80).

Eine zeitliche Beschränkung darf jedoch erfolgen.

Schlagzeug

Nachbarn haben Schlagzeugspielen im zumutbaren Rahmen zu dulden. Die Spieldauer wird, außer an Sonn- und Feiertagen, auf 45 bzw. 90 Minuten beschränkt (LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 17.09.1991 – 13 S 5296/90).

Klavier

Klavierspielen wird unterschiedlich beurteilt. Das Bayrische Oberlandesgericht entschied z.B., dass die zeitliche Beschränkung des Musizierens auf drei Stunden täglich, außerhalb der allgemeinen Ruhezeiten, grundsätzlich einen rechtlich vertretbaren Interessenausgleich zwischen den Rechten und Pflichten der Betroffenen darstellt (BayObLG, Urt. v. 12.10.1985 – 2Z BR 55/95).

E-Gitarre und elektronische Verstärker

E-Gitarren und Instrumente, die mit einem elektronischen Verstärker verbunden sind, müssen immer auf „Zimmerlautstärke“ eingestellt werden.
Das Landesgericht Hamburg befand dabei, dass Zimmerlautstärke bedeute, dass die Vernehmbarkeit der Musik auf den Raum beschränkt sei, in welchem sie wiedergegeben wird. Deutlich in der Nachbarwohnung vernehmbare Musikwiedergabe sei keine Zimmerlautstärke. Allerdings meint der Begriff Zimmerlautstärke auch nicht, dass keinerlei Geräusche mehr zum Nachbarn dringen.
Zimmerlautstärke sei also auch dann noch gegeben, wenn der Nachbar nur normale Wohngeräusche vernehmen kann (LG Hamburg, Beschl. v. 12.07.1995 – 317 T 48/95).

Lautstärke elektronischer Geräte und Ruhezeiten

Fernseher, Radio, HiFi-Anlagen, usw. dürfen auch nach 22.00 Uhr genutzt werden.

Aber nur so laut, dass Nachbarn sich dadurch nicht gestört fühlen (s.o. zum Begriff Zimmerlautstärke).
Denn Geräusche, welche überhaupt nicht nach außen dringen, können auch zu besonderen Ruhezeiten nicht untersagt werden, da ein schützenswertes Interesse anderer Hausbewohner dieser Betätigung nicht entgegensteht.
Der Erlass eines Musizierverbots ab 20.00 Uhr bewege sich hingegen grundsätzlich innerhalb eines zu vertretenden Gestaltungsspielraums und sei nur dann unzulässig, wenn besondere Gründe für ein längeres Musizieren dargetan werden könnten (BGH, Beschl. v. 10.09.1998 – V ZB 11/98).

Abstellen von Fahrrädern und Kinderwagen im Hausflur

Über das Abstellen von Fahrrädern oder Kinderwagen in Gängen innerhalb eines Wohnhauses, kann die Hausordnung oder der Mietvertrag Auskunft geben.
Falls dort nichts anderes festgehalten ist, kann der Kinderwagen abgestellt werden.
Andere Bewohner dürfen dadurch aber nicht belästigt bzw. behindert werden. Insbesondere dürfen Fluchtwege nicht verstellt werden.
Aber auch trotz Verbotes darf ein Kinderwagen dort abgestellt werden, wenn der Mieter keine andere Möglichkeit hat (AG Braunschweig, Beschl. v. 10.05.2000 – 121 C 128/00).
Ein Mieter ist daher berechtigt, einen Kinderwagen oder einen Rollstuhl im Hausflur abzustellen, wenn er hierauf angewiesen ist und die Größe des Hausflurs das Abstellen zulässt (BGH, Urt. v. 10.11.2006 – V ZR 46/06).
Darauf angewiesen ist eine Mutter z.B., wenn sie den Wagen sonst täglich mehrfach ohne Fahrstuhl vier Stockwerke hoch schleppen müsste (AG Winsen, Urt. v. 08.04.1999 – 16 C 602/99). Niemand könne von ihr erwarten, Kind und Kinderwagen täglich über die Treppe zu transportieren. Eine Befürchtung des Hauseigentümers, der Kinderwagen im Treppenhaus könnte andere Mieter auf die Idee bringen, dort Fahrräder und andere Gegenstände abzustellen, müsse sich erst gefahrenrechtlich realisieren (AG Braunschweig, Beschl. v. 10.05.2000 – 121 C 128/00).

Folgendes ist nicht erlaubt und muss folglich nicht geduldet werden:

Verletzung von Ruhezeiten

Die in der Hausordnung vorgeschriebenen Ruhezeiten, müssen nach den oben genannten Voraussetzungen auch von Kindern, mit Ausnahme von Kleinkindern, eingehalten werden. Gem. §9 Abs.1 LImschG ist die Nachtruhe gesetzlich von 22.00 bis 6.00 Uhr festgesetzt. Hierüber haben die Eltern Sorge zu tragen.

Radfahren im Treppenhaus

An Orten, die nicht dafür vorgesehen sind, wie das Treppenhaus oder Kellerflure, muss Fahrradfahren, Skateboard fahren oder Rollschuh laufen bereits aus Sicherheitsgründen verboten sein. Weiterhin entsteht auch unnötiger Lärm, der von Nachbarn nicht geduldet werden muss.

Mit dem Aufzug spazieren fahren

Aus denselben Gründen ist Aufzug fahren nur zum Spielen verboten.
Auch hierfür sind Eltern im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht verantwortlich (BGH, Urt. v. 07.07.1987 – VI ZR 176/86).

Spielen im Ziergarten

Kleine am Haus gelegene Flächen, die als Ziergärten genutzt werden, sind nicht zum Spielen gedacht. Ein Verbot hiergegen ist möglich, da zumeist der Platz zum Spielen zu klein ist und Pflanzen beschädigt werden können.

 

Bedenken Sie, dass Urteile im Zusammenhang mit Kinderlärm immer Einzelfallentscheidungen darstellen und nicht pauschal auf andere Fälle übertragen werden können.
Fühlt sich ein Mieter durch den Lärm unzumutbar gestört, sollte zunächst mit den Eltern und dem Vermieter gesprochen werden. Wir berichteten bereits hier (Hier auf den Artikel „Mietminderung wegen Kinderlärm“ hinweisen), inwiefern Lärm einen Mangel an der Mietsache darstellen kann und welche Voraussetzungen vorliegen müssen.
Ist tatsächlich ein Mangel zu bejahen, kann dies zu einer Durchsetzung einer Mietminderung gem.
§536 BGB führen.
Kann also der Streitfall zwischen den Parteien nicht gelöst werden, sollte anwaltlicher Rat eingeholt und besprochen werden, ob der Fall hinreichend unzumutbar ist, um weitere Schritte einzuleiten.